Bereits 2030 könnte sich die Zahl der Shared- und On-Demand-Angebote gegenüber 2021 verdreifacht haben. Die Akteurinnen und Akteure im Verkehr werden dann Teil einer neuen, anspruchsvollen Infrastruktur sein. Sie arbeiten im Verbund mit Partnernetzwerken, die den Kundinnen und Kunden multimodale Fahrten mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln anbieten. Grossstädte dürften in diesem Szenario Vorreiter sein, da hier fast 25 Prozent aller Fahrten durch Shared- und On-Demand-Angebote erfolgen werden. Zu diesem Schluss kommt die Studie «Mobilität der Zukunft» der Management- und Technologieberatung Bearingpoint.

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Der Autor

Reto Tomasini, Partner, Bearingpoint, Zürich.

Individuelle Mobilität ohne Auto

Im Mobilitätsökosystem der Zukunft verschieben sich die Prioritäten für alle Beteiligten. Das Bedürfnis nach individuell zugeschnittenen Lösungen wird zu einem Wettrennen um Kundendaten und Wertschöpfungsketten führen. Zudem werden Servicedienstleistungen gefragt sein, die sowohl nationale als auch städtische und ländliche Bedarfsmuster berücksichtigen. Mobilitätslösungen werden – vergleichbar mit den Angeboten von Tech-Konzernen wie Apple, Amazon oder Google – Teil eines datengetriebenen Netzwerks.

Laut der Studie haben Konsumenten und Konsumentinnen im Jahr 2030 eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, ihr Mobilitätserlebnis zu personalisieren, und können dann bequem wählen, wann und wie sie sich fortbewegen wollen. Dabei haben sie die Wahl aus Optionen wie Mobilitätsdiensten auf Abruf, neuen Formen der Mikromobilität und Premium- oder Massenverkehrsmitteln. Dies bedeutet, dass die Automobilindustrie schnell auf die sich verändernden Geschäftsmodelle und die neue Wettbewerbsdynamik der individuellen Mobilität reagieren sollte. Statt anonyme Massenprodukte für breite Kundensegmente herzustellen, sollte sie eine Kombination von Produkten und Dienstleistungen anbieten, die auf die Kunden und Kundinnen persönlich zugeschnitten sind. Dies bedingt, dass sie über die opportunistische Datenerfassung hinausgeht und zu einer strategischen Datenorchestrierung übergeht. Nur dann können die Erkenntnisse aus Kundendaten entlang der gesamten Customer-Journey auch in werthaltige Kundenangebote überführt werden.

Künftig werden Konsumentinnen und Konsumenten mehr Möglichkeiten zur Personalisierung ihrer Mobilität fordern – unabhängig davon, welche Verkehrsmittel sie nutzen. Zwar wird das «Erlebnis Privatfahrzeug» 2030 noch fortbestehen, dies aber unter Einbezug mehrerer Verkehrsträger und mit der Integration über mehrere Plattformen als öffentliche Dienstleistung zu geringeren oder gar keinen Kosten für die Kerndienstleistung Mobilität.

25 Prozent aller Fahrten in Grossstädten werden künftig mit Shared- und On-Demand-Angeboten erfolgen.

 

In dem Masse, wie die Bürger und Bürgerinnen mehr Verfügbarkeit, Qualität und Flexibilität von Mobilitätsdienstleistungen verlangen, wird sich auch die öffentliche Verkehrspolitik weiterentwickeln. Die verschiedenen Verkehrsträger müssen dabei sorgfältig integriert werden, wobei Sicherheit und persönliches Wohlbefinden oberste Priorität haben. Die Mobilitätspolitik sollte zudem darauf ausgerichtet sein, die Produktivität und Effizienz zu verbessern, sowohl in Bezug auf die Arbeitszeit als auch auf die arbeitsfreie Zeit. In dieser neuen Dimension der Personalisierung benötigen Konsumenten und Konsumentinnen weiterhin eine Versicherung, um sich zu schützen und Risiken zu managen. Die Versicherungsunternehmen müssen sich allerdings auf neue Marktgegebenheiten einstellen. Zum einen werden in Zukunft mehr Versicherungen auf B2B-Ebene abgeschlossen werden, gerade in Bereichen wie Carsharing. Zum anderen werden neue Versicherungstypen entstehen, da die B2C-Policen stärker personalisiert werden.

 

Druck auf Energiedienstleister

Energieunternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle ebenfalls verändern, um mehr individualisierte Angebote machen zu können. Dazu gehören etwa ermässigte Preise für das Aufladen von E-Fahrzeugen am späten Abend und nachts sowie Garantien für Pendlerinnen und Pendler für die Strecken von Tür zu Tür.

Zu den individualisierten Dienstleistungen können Parkplatzfinder und Essensbestellungen beziehungsweise Abholungen an Tankstellen und Ladestationen gehören. Es gibt ein grosses Potenzial für Up- und Cross-Selling wie auch für die Diversifizierung der Geschäftsmodelle, in welche Ladeinfrastruktur, Coworking-Spaces, Unterhaltungsangebote, Einkaufsmöglichkeiten, Carsharing-Optionen und sogar Fitnessstudios miteinbezogen sind. Ein weiterer Fokus liegt auf der Verfügbarkeit von Ladestationen in ländlichen Gebieten sowie auf landesweiten, aber klein skalierten Infrastrukturinvestments.

Für die Energieunternehmen werden ausserdem langfristige Verträge mit grossen Immobilienunternehmen essenziell sein. Mit dem Bau (und Betrieb) von Mobility-Hubs (Ladestationen für E-Fahrzeuge, Wasserstofftankstellen, Minimärkte und Toiletten) wird ein direkter Wettbewerb zu den Tankstellen der Öl- und Gasindustrie entstehen.